Das Gericht Gottes

■ Ein wesentlicher Bestandteil der katholischen Lehre ist auch die Lehre vom Gericht Gottes. Gott wird uns also richten, Er wird uns beurteilen nach unseren Gedanken, Worten und Werken. Es ist ein großer Irrtum, eine folgenschwere Illusion sowie eine eindeutige Irrlehre, die im kirchlichen Modernismus leider sehr verbreitet ist, dass Gott unbedingt allen alles vergeben werde, weil Er ja gütig, gnädig und barmherzig sei.
Gott hat uns mit der freien Willenskraft ausgestattet und richtet an uns deswegen auch den moralischen Imperativ. Wenn Gott sich aber an uns wendet und uns Seinen heiligen Willen kundtut, wir sollen mit unserem freien Willen das Wahre bejahen und das Rechte tun, dann trägt der Mensch logischerweise auch entsprechend Verantwortung für seine Entscheidungen in Bezug auf diesen Aufruf Gottes! Beseligenden Anteil an Gott und Seiner Gnade können wir daher nur erlangen, wenn wir uns willensmäßig mit Ihm vereinigen.
Ein weiterer Grundsatz besteht darin, dass Gott uns, Menschen, immer nach unseren bewusst vollzogenen Willensakten beurteilt. Somit ist die Sünde eine Tat (in Gedanken, Worten oder Werken), die von einem Menschen bewusst begangen worden ist, wo er sich nämlich dessen bewusst ist, dass er gerade etwas Unmoralisches tut, was nämlich gegen das heilige und sich somit sittlich selbst rechtfertigende Gebot Gottes verstößt.
Wenn aber ein Mensch äußerlich und sozusagen mechanisch etwas tut, was an sich unmoralisch ist, er selbst dabei aber keinen wissentlich unmoralischen Willen gefasst hat, dann hat er persönlich keine Sünde begangen. Dies träfe z.B. für den Fall zu, dass ein Lkw-Fahrer, Lokführer oder Pilot im Flugzeug aus gesundheitlichen Gründen während der Fahrt bzw. des Fluges plötzlich das Bewusstsein verlieren und dann eben einen folgenschweren Unfall verursachen würde. Es wäre dann ein sehr tragischer Unfall, aber den Verursacher trifft moraltheologisch keine Schuld. Dazu kann man auch etwa die aus Unwissenheit begangenen Gebotsübertretungen zählen, wenn z.B. ein Katholik in der Diaspora nie gehört oder gelesen haben sollte, dass er am Freitag kein Fleisch essen darf.
Analog ist eine gute Tat, die dann auch vor Gott verdienstvoll ist, nur das, was der Mensch in der richtigen uneigennützigen Einstellung getan hat – das Gute nämlich um des Guten willen! Sollte aber ein Mensch äußerlich zwar etwas an sich Gutes und Richtiges tun, innerlich aber in der falschen Einstellung, dann ist es für ihn keinesfalls verdienstvoll. So zählt zu diesen falschen Intentionen sehr oft die Absicht, mit der betreffenden Tat etwa vor anderen aufzufallen, um von ihnen eine wie auch immer geartete Anerkennung zu erlangen oder von ihnen gelobt zu werden. Jesus hat eine solche Heuchelei scharf verurteilt: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Himmelreich eingehen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist“ (Mt 7,21). Den Willen Gottes kann man aber nur dann „tun“, wenn man auch die betreffende selbstlos-liebende Gesinnung teilt!
Deswegen beurteilt Gott uns nach der Gesinnung unseres Herzens und keinesfalls nur nach dem äußeren Schein unserer Taten. Belohnt werden nur die, die ehrlichen Herzens und sehr wohl uneigennützig etwas Gutes wollen und dann den anderen auch konkret wünschen (etwa durch das Gebet) und real tun. Ebenso erscheint als Sünde und moralisch verwerflich eine jede bewusste Entscheidung des Menschen, mit welcher er sich über den heiligen Willen Gottes hinwegsetzt und eben etwas Unsittliches denkt, spricht und tut. Darauf steht die Strafe Gottes – letztendlich „katapultiert“ sich der Mensch da selbst und völlig freiwillig aus der lebendigen Gemeinschaft mit Gott und wählt somit dann sehr wohl auch mangels der echten Reue den geistigen Tod, die Hölle! In der Hölle gibt es letztendlich keine einzige Seele, die sie etwa nicht selbst bewusst gewählt hätte.
■ Es ist heute modern und leider auch unter vielen formalen Christen und Mitgliedern der „Konzilskirche“ populär, die Tatsache des Gerichts Gottes zu leugnen. Höchstens lässt man es im Modernismus auf eine solche Weise zu, dass dort halt praktisch und vor aller Augen die sog. Deklaration der Allerlösung verkündet werde. Also geht es hierbei speziell um die Leugnung der Hölle und ihrer ewigen Strafen, nicht um die Belohnung der Guten.
Als Hauptargument wird da auf die „Liebe Gottes“ verwiesen, die ja keinen Menschen ausschließen könne und daher auch unbedingt alle ausnahmslos zu sich nehmen müsse. Der Gedanke an die ewige Hölle würde dem Wesen Gottes als Liebe widersprechen. Also reicht diesen Menschen die Tatsache, dass Gott an sich die Liebe ist, schon aus, um zu postulieren, dass alle Menschen ausnahmslos in den Himmel kommen würden.
Der Hauptfehler liegt hier darin, dass die Liebe Gottes künstlich in einen Konflikt mit Seiner Gerechtigkeit gebracht und dann auch einseitig dagegen ausgespielt wird! Erstens nimmt man da die Gerechtigkeit Gottes nicht ernst bzw. leugnet sie praktisch gänzlich, weil es ja dann keine Rolle spielen würde, ob der Mensch sich bemüht habe, die Gebote Gottes einzuhalten und somit sittlich zu handeln, oder ob er vielleicht sogar richtig böswillig eine jede gesunde Moral mit Füßen getreten habe. Es wären ja weder eine aufrichtige Reue noch eine echte Umkehr notwendig, was einer der zentralen Forderungen des Christentums widerspricht (vgl. Mt 3,7-12)!
Man würde Gott zu einem moralischen Monster machen, welches Gut und Böse auf dieselbe sittlichkeitsrelevante Stufe stellte bzw. Unrecht und Sünde eines der übelsten Verbrecher letzten Endes genauso wie die selbstlose und aufopferungsvolle Liebe eines Jüngers Jesu behandelte und belohnte! Beleidigt es aber nicht sowohl den gesunden Menschenverstand generell als auch das elementare katholische Glaubensverständnis speziell, wenn z.B. – praktisch anschaubar – der brutale Kindermörder Herodes etwa den drei Weisen aus dem Morgenland, die blutrünstigen und todlechzenden Mitglieder des Hohen Rates etwa der allerseligsten Jungfrau Maria oder dem hl. Apostel Johannes, der Gewalttäter Mohammed etwa dem hl. Papst Gregor dem Großen oder auch die Massenmörder Hitler, Stalin und Pol Pot etwa ihren Gott liebenden Opfern gleichgestellt würden?
Zweitens nimmt man mit dieser eindeutigen Häresie auch den freien Willen des Menschen nicht ernst, weil ja seine jeweilige Entscheidung keinen entscheidenden Einfluss auf die essentielle Frage nach seinem Stand vor Gott hätte. Der Mensch wäre nur ein letztendlich zu verachtender Spielball irgendwelcher höherer Mächte und Gewalten, da ja seine Willensentscheidung nicht die geringste Auswirkung darauf hätte, ob er gut oder böse wäre, ob er Licht oder Finsternis in seinem Herzen beherbergte. Ein jegliches sittliches Streben wäre entwertet, weil ja eine noch so aufrichtige Bemühung seitens Menschen, sowohl Gott als auch mit der Liebe Gottes die Menschen zu lieben, keinen entscheidenden Wert mehr darstellen würde, auch nicht in den Augen Gottes. Katastrophale moralische Gleichgültigkeit sowie damit engstens zusammenhängender weiterer und jeweils fortschreitender Verfall der Sittlichkeit wären da die brutale Folge!
Jedenfalls gibt es im Evangelium mehrere Gleichnisse, in welchen die, die leichtfertig bis mutwillig das Heilsangebot Christi abgelehnt haben, von Jesus dem strengen Gericht Gottes überantwortet worden sind. So werden im Gleichnis vom großen Gastmahl (vgl. Lk 14,15-24), welches als Bild für den generellen Ruf Gottes an unser Gewissen und zu Seiner Nachfolge steht, über die drei dort genannten Männer, die zwar eine ausdrückliche Einladung zu diesem Fest erhalten, diese aber aus fadenscheinigen bis nichtigen Gründen ausgeschlagen haben, das Urteil gesprochen: „Ich sage euch aber: Von jenen Männern, die geladen waren, soll keiner mein Mahl verkosten.“
Dem entsprechen auch solche Stellen, in welchen denen, die trotz direkter Ansprache durch Jesus - generell gesprochen - den Glauben an Ihn verweigern, „Heulen und Zähneknirschen“ angedroht wird, egal ob „die Kinder des Reiches“ dabei entweder „in die Finsternis draußen geworfen“ (vgl. Mt 8,12), ob „alle Verführer und Übeltäter … in den Feuerofen“ geworfen (vgl. Mt 13,41f) oder ob „die Bösen aus der Mitte der Gerechten“ ausgesondert und „in den Feuerofen“ geworfen (Mt 13,49f) werden. Unmissverständlicher kann man wohl kaum das stattzufindende Strafgericht Gottes ankündigen. Wohl dem, der dies entsprechend beherzigt!
■ Letztendlich richtet sich das Heils-Angebot Gottes nach der katholischen Lehre auf die eine oder andere Weise an alle Menschen, die dann im Gewissen eine entsprechende Entscheidung treffen müssen, ob sie dieses Angebot der Erlösung, der geistigen Auferstehung und des neuen Lebens in der Gnade Christi, annehmen und ihm entsprechen wollen oder nicht. Somit kann sich auch kein einziger Mensch (der nicht gerade psychisch krank ist) vor dem Gericht Gottes etwa darauf berufen, er habe nicht wirklich gewusst, was sich von jedem wenigstens auf der elementaren Ebene der menschlichen Natur als Gut und Böse erkennen lässt: „Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbar über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die durch ihre Ungerechtigkeit die Wahrheit Gottes unterdrücken. Denn was von Gott erkennbar ist, das ist ihnen offenbar. Gott hat es ihnen geoffenbart. Lässt sich doch Sein unsichtbares Wesen seit Erschaffung der Welt durch Seine Werke mit dem Auge des Geistes wahrnehmen: Seine ewige Macht wie Seine Göttlichkeit. Darum sind sie nicht zu entschuldigen. Obwohl sie nämlich Gott kannten, haben sie Ihn doch nicht als Gott verehrt noch Ihm gedankt.“ (Röm 1,18-21.)
Seitdem aber Gott dann in Jesus Christus Mensch geworden ist und Seine unendliche göttliche Liebe zu uns Menschen durch Sein stellvertretendes Leiden und Sterben offenbart hat, sind alle herausgefordert worden, eine entsprechende Antwort auf das gesamte Heilswirken Jesu Christi zu geben. Denn wer ehrlich Gott sucht, kann Ihn nicht finden, indem er etwa zugleich vollwissentlich Jesus Christus ablehnen und verwerfen sollte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich. Wenn ihr mich erkannt hättet, würdet ihr auch meinen Vater kennen. Schon jetzt erkennt ihr Ihn und habt Ihn gesehen.“ (Joh 14,6f.)
So hat Jesus dann auch die Heilsnotwendigkeit des Glaubens an Ihn als Gottessohn und göttlichen Erlöser verkündet, welchem dann sowohl primär die Taufe auf den Namen des Dreifaltigen Gottes als auch ein entsprechender Lebenswandel unbedingt folgen müssen: „Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen. Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ (Mk 16,16.)
Es ist somit klar, dass es grundsätzlich keine Erlösung und Versöhnung mit Gott außerhalb und unabhängig von Jesus Christus geben kann: „Lasst euch von niemand einfangen durch hochklingende Weisheiten und leeren Trug, der sich auf menschliche Überlieferung, auf die Weltelemente stützt, aber nicht auf Christus. In Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit wesenhaft. In Ihm seid ihr dieser Fülle teilhaftig geworden. … Mit Ihm seid ihr in der Taufe begraben, mit Ihm auch auferweckt worden durch den Glauben und die Macht Gottes, der Ihn von den Toten auferweckt hat. Euch … hat Er mit Ihm zusammen zum Leben erweckt. Er hat uns alle Fehltritte vergeben, hat die Schuldschrift, die uns mit ihrer Anklage belastete, ausgelöscht und vernichtet, da Er sie ans Kreuz heftete. Er hat die Mächte und Gewalten entwaffnet, offen an den Pranger gestellt und durch Ihn über sie triumphiert.“ (Kol 2,8-15.)
■ Nun ist es aber so, dass leider bei weitem nicht alle Menschen in Berührung mit der Heilsbotschaft Jesu Christi kommen bzw. diese wenigstens nicht in der authentischen, sondern in einer inhaltlich stark verzerrten Form kennenlernen. Zwar hat die Kirche den hohen Auftrag, das Licht des Evangeliums in alle Ecken der Welt zu tragen, damit die Menschen das Heil finden mögen. Allerdings ist uns allen bekannt, dass es real viele Menschen gibt, die nicht das Privileg und die Gnade erhielten und erhalten, mit der (eventuell auch nicht irgendwie verfälschten) Botschaft vom Heilswirken Jesu Christi in Kontakt zu kommen. Da ist die Frage berechtigt, wie denn ihr Fall beim Gericht Gottes beurteilt werde?
Nun, die Kirche kann grundsätzlich nicht wissen, wie das Schicksal der konkreten Einzelmenschen in der Ewigkeit aussieht. Lediglich im Fall der Kanonisierung der Heiligen erlaubt sich die Kirche ein solches Urteil, dass diese nämlich gerettet und im Himmel sind. Sonst stellt die Kirche nur grundsätzlich Bedingungen auf, bei deren Erfüllung dies oder jenes folgt. Sprach ja auch Christus in einer solchen grundsätzlichen Form: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ (Mk 16,16.) Letztendlich kann nur Gott allein wissen, ob und wie jemand die betreffenden Bedingungen erfüllt hat!
Im Einzelnen muss man zwischen verschiedenen Personengruppen unterscheiden, die nicht zur klassischen und an sich erforderlichen Wassertaufe gelangten. So kannte schon die frühe Kirche Fälle, in welchen Katechumenen, also Taufbewerber, die bei Priestern Unterricht im Glauben nahmen, schon vor dem eigentlichen Tauftermin gestorben sind. Die Kirche anerkannte dann gerechterweise das Streben dieser Menschen nach der inneren Reinigung und Taufe bzw. ihr Verlangen nach der Vereinigung mit Jesus Christus, dem Erlöser, als sog. Begierdetaufe. Da diese Menschen sich ja ausdrücklich nach Christus sehnten und eben bewusst-willentlich auf die Taufe vorbereiteten, diese aber ohne eigenes Verschulden (!) zu Lebzeiten nicht rechtzeitig erhalten konnten, sagt die Kirche, dass ihnen dieses Verlangen nach der Taufe, falls es natürlich ehrlich und aufrichtig war, sehr wohl angerechnet werde und sie somit gerettet würden.
Gilt ja der Grundsatz, dass jeder aus Gründen der Gerechtigkeit nur nach dem beurteilt werden kann, was er weiß und tun kann und wofür er folgerichtig im Gewissen die Verantwortung trägt. Die kirchliche Dogmatik führt dazu aus: „Ist nun das bloße Verlangen nach der Wassertaufe zugleich verbunden mit der vollkommenen (Liebes-)Reue (contritio caritate perfecta), so entsteht die sog. „Begierdetaufe“, welche nach der Kirchenlehre den erwachsenen Erb- und Todsünder ohne weiteres rechtfertigt. Allerdings enthält diese Begierde (=votum sacramenti) den festen Willen, das Sakrament selbst baldtunlichst zu empfangen.“ (Pohle, Lehrbuch der Dogmatik. Paderborn 1960 [Unveränderter Nachdruck der Neunten Auflage von 1937]. Band III, S. 142.)
Das bedeutet, dass von einer Begierdetaufe nur dann die Rede sein kann, wenn neben der Liebesreue unbedingt auch die feste Absicht vorliegt, sofern möglich auch die Wassertaufe selbst zu empfangen!
Analog urteilt die Kirche auch in Fällen von sog. Bluttaufen, in welchen Katechumenen vor dem Tauftermin einen gewaltsamen Tod um des christlichen Glaubens willen erlitten haben. Diese werden dann wie die sonstigen Märtyrer anerkannt und verehrt! So z.B. auch die hl. Emerentiana, deren Gedächtnis von der Kirche am 23. Januar begangen wird.
Dazu werden dann sogar auch solche Soldaten und sonstige Zeugen gerechnet, die als Heiden das Martyrium der Christen miterlebten, sich davon beeindrucken ließen, unmittelbar darauf den Glauben an Jesus Christus bekannten und dann ebenfalls praktisch sofort den Märtyrertod um ihres Bekenntnisses zu Christus willen erduldet haben. Dabei hatten diese keine sonstige Glaubensunterweisung erhalten können. Dennoch wurden sie den Katechumenen-Blutzeugen gleichgestellt und werden von der Kirche auf die gleiche Weise als Heilige verehrt!
Der begrenzte Rahmen dieses Artikels erlaubt uns nicht, hier im Einzelnen die Stellen aus den Schriften der Kirchenväter, Päpste und z.B. auch des Konzils von Trient aufzuführen, die diesen Glauben der katholischen Kirche konkret belegen. Es soll aber ergänzt werden, dass die Begierde- und Bluttaufe zwar die Rechtfertigung des betreffenden Menschen bewirken, aber dennoch kein unauslöschliches Merkmal in die Seele einprägen. Dies tut nur die klassische Wassertaufe.
Ebenso verehrt die Kirche auch die unmündigen Unschuldigen Kinder (Fest am 28. Dezember) als Heilige, die von Herodes umgebracht worden sind, weil er dachte, eines von diesen Knaben könnte der neugeborene Knabe Jesus sein (vgl. Mt 2,16-18). Also gelten sie wegen dieses eindeutigen Bezugs zum Heiland eindeutig und unmissverständlich als hl. Märtyrer, obwohl sie wegen ihrer Unmündigkeit beim besten Willen nicht in der Lage waren, persönlich auch nur ansatzweise bewusst-willentlich Sehnsucht nach Ihm zu erwecken!
■ Ferner stellt sich die Frage, wie da wohl der Fall jener (erwachsenen) Menschen läge, die ohne eigenes Verschulden nie in Berührung mit dem authentischen christlichen Glaubensbekenntnis kamen, weswegen sie dann ja auch beim besten Willen kein bewusstes Verlangen nach der Taufe als einem Sakrament der Kirche empfinden konnten, aber zu jener Gruppe von Heiden gerechnet werden können, welche sich nach Kräften bemühen, die Gebote des sittlichen Naturgesetzes zu erfüllen, wie es uns allen bei der Schöpfung ins Herz geschrieben worden ist, wie ja die oben zitierte Stelle aus Röm 1,18-21 belegt. Man denke da z.B. an irgendeinen Eingeborenenstamm, der abgeschieden von der Zivilisation in Afrika oder im Amazonas-Wald in Südamerika lebt.
Dazu in demselben Dogmatik-Buch (Pohle, ebd.,S. 143): „Die theologische Kontroverse, ob das zur Liebesreue hinzugeforderte votum baptismi (Verlangen nach der Taufe – Anm.) ein ausdrückliches (explicitum) sein müsse oder aber ein bloß latentes (implicitum) bleiben dürfe, entscheidet sich in ähnlicher Weise wie die parallele Frage, ob der die Heiden rechtfertigende Glaube an die Trinität und Inkarnation (Christus) als fides explicita (Glaube, der das ausdrücklich bekennt – Anm.) oder implicita (Glaube, der das stillschweigend miteinschließt – Anm.) auftreten müsse. Die gewöhnliche Ansicht behauptet, dass das votum baptismi implicitum genügt, d.h. ‚eine solche Gemütsverfassung, in welcher der Mensch die Taufe, würde sie ihm als unerlässliches Erfordernis des Heils bekannt, mit Sehnsucht verlangt‘ (vgl. Oswald, Die Lehre von den hl. Sakramenten der kath. Kirche, Bd. I,5, S. 259).“
Mit anderen Worten sagt die Kirche, dass ein Heide, der ohne geringstes eigenes Verschulden nie die kirchliche Predigt über Jesus Christus und Seine Kirche vernehmen konnte und somit auch nichts über die Heilsnotwendigkeit des Glaubens an unseren Heiland und der christlichen Taufe (wofür er dann ja gerechterweise auch nicht bestraft werden kann), vom allwissenden Gott gerechtfertigt und somit auch gerettet werden kann, wenn dieser Heide folgende Bedingungen erfüllt:
1) Er muss nach bestem Wissen und Gewissen bestrebt sein, das auf der Schöpfungsebene in sein Herz hineingeschriebene Naturgesetz Gottes zu erfüllen. D.h. er muss sittlich weit über den entsprechenden Forderungen seiner heidnischen Religion stehen und darf eben weder andere hassen und noch sie quälen und morden, weder Unzucht treiben (zumal den widernatürlichen Geschlechtsverkehr) noch die Ehe brechen, weder rauben noch betrügen usw. Ebenso muss er gegebenenfalls z.B. auch das Kastenwesen und die Verehrung von Kühen, Affen oder sonstigem Geschöpf verwerfen und sich nach einem persönlichen und liebenden Gott sehnen.
2) Er muss aufrichtig nach der inneren Reinigung der Seele streben und das Böse, wie er es erkennt, ehrlich verabscheuen bzw. die Liebesreue über seine eigenen Vergehen erwecken!
3) Und sollte er die authentische Lehre von Jesus Christus vernehmen, muss er nach dem Sakrament der Taufe verlangen!
Daran sieht man, dass letztendlich Gott allein wissen kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang jemand diese Bedingungen erfüllt oder nicht. Die Kirche lehrt Grundsätze – das konkrete Gericht liegt beim allwissenden Gott allein!
Wegen der genannten Forderungen wird ebenfalls ersichtlich, dass ein die betreffenden Bedingungen erfüllender Heide die Rechtfertigung nicht dank seiner heidnischen Religion erfährt, sondern trotz ihrer! Denn er muss in seinem inneren Streben nach Gott eine solche vergleichsweise sehr hohe sittliche Stufe erklimmen, die weit über das hinausgeht, was die heidnischen Religionen sonst so an „Sittlichkeit“ verlangen bzw. an Unsittlichkeit „erlauben“!
Somit strebt dann ein solcher Heide (darunter auch Moslems gemeint) nach viel mehr als seine jeweilige nicht-christliche Religion von ihm eigentlich erwartet. Sein Gottesbild ist weit höher und edler als das seiner offiziellen Religion, der er angehört – er sehnt sich somit in seinem Herzen nach dem Gott, nach dessen Ebenbild er erschaffen worden ist und von dessen Vollkommenheit er trotz aller menschlichen Schuld noch eine Ahnung hat!
Somit würde er sich dann ja praktisch, wenn auch unbewusst, nach Christus, dem Göttlichen Erlöser, sehnen, dessen göttliche allwissende Liebe ja nicht einen verirrten Menschen verwerfen kann, der Ihn nie bewusst zurückgewiesen hat und trotz der Dunkelheit des Heidentums im eigenen Herzen den wahren Gott sucht – eben weit über die engen Grenzen des Heidentums hinausgehend! Somit würde einem solchen Menschen das Heil gerade dank seines Suchens nach dem wahren Gott und somit auch irgendwie durch Jesus Christus zuteil, der ja die Sehnsucht und Sinnerfüllung der gesamten Schöpfung ist (vgl. Röm 8,18-22) Denn ein solcher Heide hat ja – und das ist hier von entscheidender Wichtigkeit – niemals Jesus Christus bewusst-wissentlich abgelehnt!
Der entscheidende Irrtum des Modernismus und der heutigen „Konzilskirche“ besteht darin, dass die Heiden da nicht zu einer entsprechenden höheren Vollkommenheit aufgerufen werden, sondern sich ausdrücklich damit begnügen dürften, was ihre Religionen so alles lehren. Mehr noch: Während die überlieferte katholische Lehre die heidnischen Religionen (sehr wohl auch beim Bekennen der Möglichkeit der Begierde- und Bluttaufe!) als falsch und an sich gotteswidrig klassifiziert, erscheinen diese im Modernismus plötzlich als an sich gut und gottgewollt, ja sogar als ordentliche Heilswege, die uns von Gott gezeigt worden seien und zu Ihm führen würden.
Zumal ja jeder, der in Ablehnung der modernistischen Häresie gerade auch die hier genannten Lehren des authentischen Katholizismus bekennt, sofort unsachlich-polemisch als „rückständig“, „lieblos“, „intolerant“ und sogar „menschenhassend“ diffamiert und medienwirksam bekämpft wird.
■ Gelegentlich hört man von solchen Traditionalisten, die die Lehre der Kirche von der Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe so auslegen, dass jeder, der (aus welchen Gründen auch immer!) die Wassertaufe nicht empfangen habe, in jedem Fall und ohne irgendeine weitere Überlegung des ewigen Heils verlustig gehe bzw. automatisch in die Hölle komme. Sie fragen nicht im Geringsten nach den Gründen, warum jemand nicht zum Glauben gekommen sei bzw. ob dies vielleicht auch daran gelegen haben konnte, dass ihm Jesus einfach nie verkündet worden ist. Stattdessen verwerfen sie die Lehre der Kirche von der Begierde- und Bluttaufe pauschal und postulieren die automatische und ausnahmslose Verdammnis aller, die nicht äußerlich das Sakrament der (Wasser)Taufe empfangen haben.
Die Gefährlichkeit dieser Irrlehre besteht darin, dass Gott da als insofern sehr ungerecht dargestellt wird, dass Er Menschen für etwas bestrafe, was sie überhaupt nicht getan haben. Denn obwohl die betreffenden Heiden nicht die geringste Möglichkeit gehabt haben könnten, entweder ein Ja oder ein Nein zu Jesus und Seinem Heilswirken zu sagen, werden sie nach der Vorstellung dieser fehlgeleiteten Leute so bestraft, als hätten sie Jesus wie Seine gehässigsten Feinde bewusst zurückgewiesen und vollwissentlich abgelehnt! Dies entspricht weder dem christlichen Verständnis von der Gerechtigkeit Gottes noch dem Seiner Erlöserliebe!
Wie die Modernisten die Liebe Gottes gegen Seine Gerechtigkeit ausspielen und somit mit ihrer Leugnung der Hölle und der Proklamation der Allerlösung in eine ganz schlimme häretische Einseitigkeit verfallen, so begeben sich diese „Traditionalisten“ in das andere Extrem, da sie ja einen gnadenlosen und ungerecht strafenden Gott proklamieren, der sich u.a. auch in einem reinen Formalismus verstrickt und nicht im Geringsten um die genaueren Umstände dieser oder jener Sachlage kümmere.
Da sieht man, wie negativ und extrem folgenschwer ein Abirren vom überlieferten und sozusagen seit zweitausend Jahren „gereiften“ katholischen Glaubenskonsens ist. Denn dieser apostolische Glauben bringt u.a. sowohl die Liebe als auch die Gerechtigkeit Gottes in eine solche Harmonie miteinander, dass keiner der einzelnen essentiellen Bestandteile dieses gesunden Glaubensorganismus unter irgendeiner einseitigen „Vernachlässigung“ leidet, sondern daraus der sowohl gütige als auch jegliche Sünde verabscheuende Heiland durchscheint und unsere Herzen mit Seiner Gnade erwärmt!

P. Eugen Rissling

 

 

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